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19. März 2024

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Die Kleinheit verändert alles

Die Kleinheit verändert alles© Pexels.com/Eva Elijas

Einzelne Atome als Katalysatoren. Seit Jahren laufen Versuche, Metallpartikel in Katalysatoren immer kleiner zu machen. Forschungen der TU-Wien zeigen nun überraschende Effekte, wenn man bei der kleinstmöglichen Größe ankommt.

(red/mich) Metalle wie Gold oder Platin werden oft als Katalysatoren eingesetzt. So dient Platin etwa in Fahrzeugkatalysatoren dazu, giftiges Kohlenmonoxid in ungiftiges Kohlendioxid umzuwandeln. Aufgrund der hohen Kosten solcher Edelmetalle versucht man, sie in Form immer kleinerer Partikel zu nutzen. Der logische Endpunkt dieser Entwicklung sind Einzelatom-Katalysatoren: Das Metall liegt dann nicht mehr in Form von Partikeln vor, sondern in Form einzelner Atome, die auf einer Oberfläche festgehalten werden.

Doch einzelne Atome können nicht mehr mit Regeln beschrieben, die von größeren Metallstücken her bekannt sind. Die Gesetze bei solchen Einzelatom-Katalysatoren müssen daher völlig neu erforscht werden und das gelang nun an der TU-Wien. Eine der wesentlichen Erkenntnisse dabei: Werden einzelne Atome verwendet, sind manchmal auch viel kostengünstigere Materialien effektiver. Diese Ergebnisse wurden nun auch im international renommierten Fachjournal „Science“ publiziert.

Das Zusammenspiel der Atome
„Warum manche Edelmetalle gute Katalysatoren sind, wurde schon in den 1970er-Jahren erforscht“, sagt Gareth Parkinson vom Institut für Angewandte Physik der TU Wien. „Etwa vom Chemiker Gerhard Ertl, der dafür 2007 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde.“ In einem Stück Metall lässt sich jedoch nicht jedes Elektron einem bestimmten Atom zuordnen, die Elektronenzustände ergeben sich durch das Zusammenspiel vieler Atome. Und die Energie der Elektronen wird nicht bloß von den Eigenschaften eines Metallatoms festgelegt, sondern vom Metallstück insgesamt.

Zudem spielen für chemische Prozesse nur die äußeren Atome des Metalls eine Rolle – die Atome im Inneren des Metallstücks kommen mit der Umgebung niemals in Kontakt. Soll nun Material gespart werden, so empfiehlt sich die Verwendung winziger Metallpartikel anstatt großer Metallklumpen. Hie befindet sich ein großer Anteil der Atome an der Oberfläche, die sich sodann auch an der Katalyse beteiligen können. Aus Sicht der TU-Wien war nun naheliegend, das Metall in Form einzelner Atome zu verwenden, damit jedes einzelne Metallatom chemisch aktiv sein kann. Und tatsächlich lassen sich auf diese Weise große Erfolge erzielen.

Falsches Modell, richtige Lösung
„Das Verwirrende daran ist nur: Bei einzelnen Atomen sind die Modelle eigentlich gar nicht mehr anwendbar, mit denen man bisher erklärt hatte, warum diese Edelmetalle so gute Katalysatoren sind“, so Parkinson. „Einzelatome können sich keine Elektronen teilen, die Elektronenbänder, deren Energie man für den Schlüssel zur Erklärung der Katalyse gehalten hatte, gibt es in diesem Fall einfach nicht.“

Gareth Parkinson und sein Team untersuchte daher in den letzten Jahren, welche atomaren Mechanismen hinter dieser Einzelatom-Katalyse stecken. „Es ist zwar bemerkenswert, dass die Metalle, die wir als gute Katalysatoren kennen, auch in Form einzelner Atome gute Katalysatoren sind, aber bei näherer Betrachtung zeigt sich: Das ist kein Zufall“, so der TU-Experte. „Es sind nämlich in beiden Fällen dieselben Elektronen, die sogenannten d-Elektronen, die dafür verantwortlich sind.“

Maßgeschneiderte Eigenschaften durch passende Oberflächen
In der Einzelatom-Katalyse ergeben sich zudem völlig neue Möglichkeiten, die man bei der Verwendung gewöhnlicher Metallpartikel nicht hat: „Je nachdem, auf welchem Untergrund wir die Metallatome platzieren und welche atomaren Bindungen sie dabei eingehen, können wir die Reaktivität der Atome verändern“, erklärt Parkinson. Und das bedeutet in manchen Fällen, dass besonders teure Metalle wie etwa Platin nicht mehr notwendigerweise die beste Wahl sind. „Wir haben etwa große Erfolge mit einzelnen Nickel-Atomen erzielt. Wenn man die atomaren Mechanismen der Einzelatom-Katalyse versteht, hat man plötzlich viel mehr Spielraum bei den chemischen Prozessen“, erläutert Parkinson.

An der TU-Wien wurden acht unterschiedliche Modelle auf diese Weise exakt analysiert und die Ergebnisse passen perfekt zu theoretischen Modellen, die wiederum mit Cesare Franchini von der Uni Wien entwickelt wurden. „Katalysatoren sind in vielen Bereichen sehr wichtig, gerade bei wichtigen chemischen Reaktionen für unsere Umwelt“, betont Parkinson. Entscheidend ist die lokale Umgebung der Atome und die richtige Auswahl – dann können bessere Katalysatoren entwickelt und gleichzeitig Ressourcen und Kosten gespart werden.

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red/mich, Economy Ausgabe Webartikel, 22.01.2021