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19. April 2024

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Neue Fortschritte in der Früherkennung von Krebskrankheiten

Neue Fortschritte in der Früherkennung von Krebskrankheiten© EUTOPS_Uni_Innsbruck

Mediziner der Uniklinik Innsbruck entwickeln neuen Test zur Früherkennung von Eierstock- und Brustkrebs. Einfacher Abstrich bestimmt dabei epigenetische Abdrücke ohne invasive Gewebeprobe.

(red/mich/czaak) Die Höhe des individuellen Risikos, an Krebs zu erkranken, hängt von genetischen und nicht-genetische Faktoren ab. Der Onkologe Martin Widschwendter ist Leiter des vom Land Tirol gegründeten und in Kooperation mit der Universität Innsbruck und den Tirol Kliniken umgesetzten Europäischen Onkologie Präventions & Screening Instituts (EUTOPS) an der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck mit Standorten in Hall und Zams.

Der renommierte Mediziner arbeitet hier auch an neuen Methoden zur Krebsprävention und -früherkennung unter Berücksichtigung sogenannter epigenetischer Fußabdrücke. Die dabei neu entwickelten WID-Tests (Women’s cancer risk IDentification) können nun mittels einfachem Gebärmutterhalsabstrich sowohl Eierstock- als auch Brustkrebs vorhersagen, ohne invasive Gewebeprobe aus dem Tumor.

Das individuelle Krebsrisiko und das Epigenom
Das Epigenom spielt eine ganz entscheidende Rolle für die Funktion der Zellen, indem es durch Markierungen am menschlichen Erbgut Identität und Aktivität einer Zelle bestimmt. „Jede Zelle eines Menschen beinhaltet die exakt gleichen Informationen in Bezug auf die DNA, die wir als genetische Hardware bezeichnen können. Welche Programme aber in der Zelle abgerufen werden, wird durch das Epigenom bestimmt – sozusagen die Software unserer Zellen“, erläutert Widschwendter.

Die Forscher analysierten nun die DNA-Methylierung als wichtigen Teil des Epigenoms und den Einfluss genetischer und nicht-genetischer Faktoren. „Externe Faktoren wie Rauchen, Ernährung oder Hormone, aber auch Einflüsse auf das Embryo im Mutterleib oder die Alterung führen zu Veränderungen der DNA-Methylierung. Das sind DNA-Markierungen, welche die Expression bestimmter Gene der Zelle erhöhen oder verringern und somit auch das Krebsrisiko beeinflussen“, erklärt Widschwendter. „Das macht sie so interessant, denn all diese Faktoren hinterlassen epigenetische Fußabdrücke auf der DNA, die unsere neuen WID-Tests sichtbar machen.“

Wichtiger Teilerfolg
„Wir wissen, dass Eierstockkrebs und Brustkrebs sowie andere frauenspezifische Krebsarten Erkrankungen von Epithelzellen (Anm. Zellen, die Organe auskleiden) sind. Zudem spielen Hormone bei diesen Krebserkrankungen eine große Rolle. Für unsere Krebsrisikobestimmung brauchen wir daher Epithelzellen, die gleichzeitig hormonabhängig sind“, erklärt Widschwendter. „Zellen des Gebärmutterhalses erfüllen beide Eigenschaften und sie können dazu sehr einfach bzw. nicht-invasiv durch einen gewöhnlichen Gebärmutterhalsabstrich gewonnen werden.“

Die WID-Tests untersuchen den epigenetischen Fußabdruck für jede Krebsart einzeln und berechnen einen individuellen WID-Index (Women’s cancer risk IDentification), der das Risiko für die verschiedenen Krebserkrankungen angibt. Für Eierstock- und Brustkrebs wurden nun die angeführten Erfolge erzielt, die aktuell auch in Nature Communications publiziert wurden.

Verschiedene epigenetische Abdrücke in nur einem Gebärmutterhalsabstrich
Das Forscherteam führte eine epigenomweite Analyse bei 289 Frauen mit Eierstockkrebs, 727 Frauen mit Brustkrebs und 1410 Frauen ohne Krebsdiagnose aus 15 europäischen Zentren durch. Die WID-Tests zur Analyse der epigenetischen Fußabdrücke für Brust- und Eierstock-Krebs konnten bei den krebserkrankten Frauen mittels einer einzigen Probe aus dem Gebärmutterhalsabstrich mit hoher Wahrscheinlichkeit identifiziert werden. 

„Unsere WID-Tests verfolgen einen völlig neuartigen Ansatz und bewerten das individuelle Risiko für mehr als eine Krebsart, indem sie verschiedene epigenetische Fußabdrücke in einem einzigen Gebärmutterhalsabstrich untersuchen“, betont Martin Widschwendter vom Institut für Prävention und Screening an der Uniklinik Innsbruck. „Krebsprävention und Früherkennung wird personalisiert und Frauen können auf Basis ihrer individuellen Risikofaktoren untersucht und behandelt werden“, so der Spitzenmediziner.

Gratulation von Land Tirol und Bundeseinrichtung Gesundheit Österreich
„Ich gratuliere Martin Widschwendter, dem mit seinem Team von Tirol aus, ein auch international beachteter Durchbruch in der Frauenmedizin gelungen ist“, freut sich Annette Leja, Tiroler Landesrätin für Gesundheit, Wissenschaft und Forschung. „Die aktuellen Forschungsarbeiten zeigen vielversprechende Erkenntnisse, um künftig noch gezielte Behandlungen zu ermöglichen und Todesfälle zu verhindern“, ergänzt Herwig Ostermann, Geschäftsführer der Gesundheit Österreich (GÖG).

Das Land Tirol fördert das an die Leopold-Franzens-Universität Innsbruck und Tirol Kliniken angegliederte Europäische Onkologie Präventions & Screening Institut (EUTOPS) mit den Standorten Hall und Zams. Die aktuellen Forschungen wurden vom EU-Förderprogramm Horizon 2020 und dem European Research Council gefördert sowie maßgeblich von der Britischen Wohltätigkeitsorganisation „The Eve Appeal“ unterstützt.

Links

red/mich/czaak, Economy Ausgabe Webartikel, 15.02.2022