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28. März 2024

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Treffsichere Unterstützung von Bundesregierung und Wirtschaftskammer

Treffsichere Unterstützung von Bundesregierung und Wirtschaftskammer© Pexels.com/Flo Dahm 699459

Corona-Hilfen von Bund und Kammer sind niedrigeren Einkommen und stark betroffenen Haushalten zugute gekommen, so eine fundierte Analyse von Susanne Maidorn und Lukas Reiss vom Fiskalrat der Österreichischen Nationalbank.

(red/czaak) Der makroökonomische Schock durch die Corona-bedingten Lockdown-Maßnahmen führte im Jahr 2020 zu einem entsprechenden Einbruch des Brutto-Inlands-Produkts (BIP). Das führte wiederum zu einem Rückgang der Selbstständigeneinkommen, zu kurzfristig mehr als einer Million Arbeitnehmern in Kurzarbeit, zu über 400.000 Arbeitslosen im Jahresschnitt und damit zu signifikanten Einnahmenverlusten der unselbstständig Erwerbstätigen.

Die Einkommensverluste der Haushalte im Jahr 2020 wurden durch die gegensteuernden fiskalischen Maßnahmen sowie die automatischen Stabilisatoren (im Aggregat betrachtet) kompensiert, sodass das Wachstum der aggregierten verfügbaren Haushaltseinkommen – ohne die volatilen (und sehr ungleich verteilten) Vermögenseinkommen – etwas über 3 Prozent betrug.

Gute Treffsicherheit in zweifacher Hinsicht
Die Unterschiede in der finanziellen Betroffenheit der Haushalte waren jedoch groß. Eine aktuelle Analyse der Verteilungswirkungen des makroökonomischen Schocks und der Maßnahmen zur Stützung der Haushaltseinkommen auf Basis des Mikrosimulationsmodells des Fiskalrates (FISKSIM) ergibt in zweifacher Hinsicht eine gute Treffsicherheit.

Das gilt für die Mehrheit der COVID- bedingten Transferzahlungen an die Haushalte: Niedrigere Einkommen haben, wie von der Bundesregierung beabsichtigt, relativ stärker profitiert; und innerhalb der verschiedenen Einkommensgruppen profitierten jene Haushalte stärker, welche durch die Corona-Krise stärkere Verluste erlitten hatten.

Verhältnis zu hypothetischen Haushaltseinkommen
Die Ergebnisse der Simulation werden im Verhältnis zu hypothetischen Haushaltseinkommen ohne Corona und nach Quintilen (von den untersten zu den obersten 20 Prozent) der nach Haushaltsgröße gewichteten Haushaltseinkommen (Haushaltsäquivalenzeinkommen) dargestellt. Die analysierten Maßnahmen umfassen direkte Transfers an Haushalte (u. a. Familienbeihilfe, Härtefallfonds, Erhöhungen bei Arbeitslosengeld und Notstandshilfe), das Vorziehen der Einkommensteuersenkung sowie die Reform der Kurzarbeit im Jahr 2020.

Die Analyse stammt von Susanne Maidorn (*) und Lukas Reiss (*) vom Büro des Fiskalrates (FISKSIM) der Österreichischen Nationalbank (OeNB). Ohne fiskalische Maßnahmen hätte der Corona-Schock laut dieser Simulation das durchschnittliche Haushaltseinkommen in allen Quintilen um jeweils etwa 2 Prozent reduziert. Diese Reduktion ergibt sich unter Beachtung der Wirkung der automatischen Stabilisatoren (Transferzahlungen im Falle von Arbeitslosigkeit, Kurzarbeitsgeld gemäß Regelung vor der Corona-Pandemie und eine Reduktion der Abgabenlast bei Einkommenseinbußen).

Große Unterschiede
Innerhalb der Quintile gibt es jedoch große Unterschiede: Den Einkommenseinbrüchen vieler Selbstständiger und von krisenbedingter Arbeitslosigkeit betroffener Haushalte steht eine große Anzahl von Haushalten gegenüber, deren Einkommen vom Pandemie-Schock nicht direkt betroffen ist (Arbeitnehmer, die nicht von Kurzarbeit oder Corona-bedingtem Jobverlust betroffen waren und Pensionisten).

Insbesondere im untersten Quintil war der durchschnittliche prozentuelle Einkommensverlust etwas stärker als in den anderen Quintilen, aber gleichzeitig der Anteil der von Verlusten betroffenen Erwerbstätigen geringer; diese haben aber besonders starke Verluste erlitten.

Haushalte mit niedrigeren Einkommen profitierten stärker
Durch die umfangreichen fiskalpolitischen Maßnahmen ist der Nettoeffekt auf die Haushaltseinkommen in den unteren Quintilen sogar positiv, nur im höchsten Quintil sind die Einkommen vergleichsweise stärker zurückgegangen. Insgesamt wirkten die diskretionären Maßnahmen sehr treffsicher.

Haushalte mit niedrigeren Einkommen profitierten relativ stärker; und vom COVID- Schock stärker betroffene Haushalte erhielten im Verhältnis zu ihrem Einkommen deutlich mehr Transfers als weniger betroffene Haushalte, und diese erhielten wiederum mehr, als Haushalte, deren Einkommen durch den Corona-Schock überhaupt nicht zurückgingen.

Geringere Effekte der Einkommensteuersenkung
Die Treffsicherheit der Maßnahmen in Bezug auf die Einkommenshöhe ergibt sich vor allem durch die Maßnahmen bei Arbeitslosengeld und Notstandshilfe wegen ihres größeren Anteils am Haushaltseinkommen in den unteren Quintilen. Zudem wirkten die Einmalzahlung der Familienbeihilfe prozentuell für niedrigere Einkommen stärker.

Und dazu waren die veränderten Ersatzraten des Kurzarbeitsentgelts für niedrigere Einkommen höher. Die Einkommensteuersenkung hatte hingegen geringere Effekte fürs unterste Einkommens-Quintil als für Haushalte mit mittleren und höheren Einkommen, die von einer Absenkung des Eingangssteuersatzes stärker profitierten.

Härtefallfonds und Familienhärteausgleich kompensieren Einkommensverluste
Die Treffsicherheit in Bezug auf die Betroffenheit von Einkommensverlusten wird durch den Unterschied der Effekte deutlich, die sie auf die Einkommen der stärker betroffenen Haushalte im Vergleich zu Haushalten ohne Einkommensverluste hatten. Die Zahlungen aus dem Härtefallfonds und dem Familienhärteausgleich dienten gezielt der Kompensation von Einkommensverlusten, wobei sie bedingt durch die Einkommensgrenzen in den unteren Quintilen stärker wirkten.

Die Einmalzahlungen in der Arbeitslosenunterstützung zielten ebenfalls auf von der Krise besonders betroffene Haushalte. Aber auch von der Einmalzahlung für die Familienbeihilfe profitieren von der Krise betroffene Haushalte relativ stärker, weil Haushalte mit Kindern eher Einkommensverluste erlitten als jene ohne Kinder (v. a. wegen Pensionisten-Haushalten).

Besonderes Augenmerk auf Kurzarbeit
Ein besonderes Augenmerk kam bei den Berechnungen der Kurzarbeit zu, die im Vergleich zu den Kurzarbeitsregelungen vor der Corona-Pandemie für die Arbeitgeberseite deutlich attraktiver ausgestaltet wurde, um stärkere Anreize zur Arbeitsplatzerhaltung zu setzen (u.a. volle Übernahme der Sozialversicherungsbeiträge und größere Flexibilität in der Arbeitszeit- reduktion).

Das dem Arbeitnehmer zustehende Mindestentgelt im Rahmen der Corona-Kurzarbeit kann in bestimmten Fällen (u. a. wenn das Ausgangsgehalt und die geleistete Arbeitszeit relativ hoch sind) niedriger sein als in der alten Kurzarbeitsversion vor der Krise.

Kontrafaktisches Szenario
Daher ist der Effekt der veränderten Ersatzraten teilweise sogar leicht negativ (besonders im 4. Quintil). Allerdings ist der beschäftigungserhaltende Effekt der Corona-Kurzarbeit für alle Haushaltseinkommensgruppen sehr hoch. Dieser wird durch ein kontrafaktisches Szenario illustriert, in dem die Inanspruchnahme der Kurzarbeit ohne Reform um die Hälfte reduziert und damit die Arbeitslosigkeit deutlich höher wäre.

Die Daten zeigen, dass in diesem Fall die durchschnittlichen Haushaltseinkommen um 1⁄2 bis 1 Prozentpunkt niedriger gewesen wären bzw. dass die Einkommensunterschiede zwischen von der Krise stark betroffenen und von der Krise nicht betroffenen Haushalten um 2 1⁄2 bis 3 Prozentpunkte größer gewesen wären.

Das Mikrosimulationsmodell FISKSIM
Das Mikrosimulationsmodell FISKSIM beinhaltet die wichtigsten Elemente des österreichischen Steuer- und Transfersystems. Für die Berechnung des Corona-Schocks wurden die Daten als Ausgangspunkt an ein kontrafaktisches Szenario angepasst, wie es sich aus der WIFO-Prognose vom Dezember 2019 ergeben hätte.

Für das Szenario des Corona-Schocks erfolgte eine umfassende Kalibrierung, jeweils disaggregiert auf Wirtschaftsbereiche, an aktuelle Arbeitsmarktdaten, eine Auswertung des AMS zur Kurzarbeit und Statistiken der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung, der Leistungs- und Strukturerhebung und der Umsatzsteuervoranmeldungen.

Ergänzende Daten aus Umsatzersatz und Kurzarbeit
Der Rückgang der Selbstständigeneinkommen wurde nach Wirtschaftsbereichen aus den Quartalsdaten der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung hergeleitet und z. T. mittels Beschäftigungs- und Umsatzsteuervoranmeldungsdaten weiter zerlegt.

Für die Höhe der erhaltenen Subventionen, die noch nicht im erforderlichen Detailgrad veröffentlicht sind, wurden Daten zu Umsatzersatz und Kurzarbeit nach Wirtschaftsbereichen verwendet.

Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung
Kurzarbeit und höhere Arbeitslosigkeit wurde einem Teil der abhängig Beschäftigten im kontrafaktischen Szenario jeweils nach Wirtschaftsbereichen durch Simulation zugeteilt. Die Wahrscheinlichkeit von Arbeitslosigkeit wurde derart modelliert, dass sie für höhere Bruttoeinkommen niedriger war.

Für die Wahrscheinlichkeit von Kurzarbeit hat eine Auswertung der sogenannten Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung im 2. Quartal 2020 jedoch keinen Zusammenhang mit der Stellung im Beruf, und damit per Annahme mit der Höhe der Bruttoeinkommen, ergeben.

Evaluierung der fiskalischen Maßnahmen
Zur Evaluierung der Effekte der fiskalischen Maßnahmen wurden die Transferleistungen und die Einkommensteuersenkung implementiert. Für einige Transferleistungen ergibt sich eine volle Inanspruchnahme (z. B. bei Einmalzahlungen der Familienbeihilfe, der Arbeitslosenunterstützung und dem Familienkrisenfonds).

Auch für den Familienhärtefond wurde eine Inanspruchnahme unterstellt, soweit eine Berechtigung vorlag (Bezug von Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe nach Februar 2020 oder von Leistungen aus dem Härtefallfonds) und das Haushaltseinkommen innerhalb der vorgegebenen Einkommensgrenzen lag.

Simulierte Summe der Auszahlungen
Daraus ergibt sich eine simulierte Summe der Auszahlungen, die den tatsächlichen Auszahlungen weitgehend entspricht. Anträge an den Härtefallfonds wurden auf Basis der simulierten Einkommensverluste der Selbstständigen und dem vorangegangenen Einkommen zugeteilt, wobei aus dem vorangegangenen Einkommen unter Zuhilfenahme der Leistungs- und Strukturerhebung Annahmen zur Größe des Unternehmens abgeleitet wurden.

Die Summe der simulierten Auszahlungen beim Härtefallfonds der WKÖ erreicht die Summe der tatsächlichen Auszahlungen jedoch nur zu etwas über 60 Prozent. (Für weitere Ausführungen siehe: Maidorn und Reiss (2021): Treffsicherheit und Verteilungswirkung der Corona-Maßnahmen – Kurzbericht zur Methode).

Susanne Maidorn und Lukas Reiss
Susanne Maidorn ist Senior Economist im Büro des Fiskalrats der Österreichischen Nationalbank. Die promovierte Politikwissenschaftlerin und Autorin zahlreicher Publikationen und Studien forschte u.a. zwischen 2002 und 2011 am deutschen Fraunhofer Institut zum Thema Mikrosimulationsmodelle.

Lukas Reiss ist Principal Economist in der Volkswirtschaftlichen Abteilung der Österreichischen Nationalbank. Der promovierte Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler ist seit 2019 im Expertenbeirat des Fiskalrats und ebenso Autor zahlreicher Fachpublikationen und Studien.

Anm. der Redaktion: Die Inhalte dieses Berichts stammen überwiegend direkt aus dem Analysebericht von Susanne Maidorn und Lukas Reiss (c/o Fiskalrat und Österreichische Nationalbank/OeNB). Wir bedanken uns für die Zurverfügungstellung der Daten und Texte.

Links

red/czaak, Economy Ausgabe Webartikel, 04.06.2021