Unabhängiges Magazin für Wirtschaft und Bildung

19. März 2024

Search form

Search form

Bei Kontrolle bitte nicht lächeln

Bei Kontrolle bitte nicht lächeln© piqs.de/joerg klemme

Biometrische Verfahren begleiten künftig unser Leben – allen voran in Form eines neuen Reisepasses, der Foto und Unterschrift digital auf einem Chip speichert. Kritik kommt von Datenschützern und Technikern.

Entziehen kann man sich ihr künftig kaum: erst bei Reisen, später bei allgemeinen Zugangskontrollen und in Zukunft vielleicht vor der eigenen Haustür. Die Rede ist von der Biometrie, einer bis vor kurzem immer noch nicht häufig erlebten Technologie. Doch dies ändert sich nun – in Form des biometrischen Reisepasses kommt jeder Österreicher früher oder später damit in Berührung. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 hatte die EU auf Druck der USA die Aufnahme biometrischer Daten in die Reisepässe beschlossen. Der anfängliche Widerstand gegen die Begehrlichkeiten der USA wurde schnell aufgegeben. Da halfen auch die Bedenken der Datenschützer und der Techniker nichts mehr. Faktum ist: wer nach dem 26. Oktober 2005 einen neuen Pass ausstellen ließ, der nicht biometrische Merkmale speichert, darf nur mehr mit einem Visum in die USA einreisen. Weltweit wollen dutzende Länder in den nächsten Jahren Biometrie-Pässe ausgeben, um ihren Staatsbürgern eine bequeme Einreise in die USA zu ermöglichen. Viele Länder freilich nutzen die Gelegenheit, um umfangreiche Datenbanken zu biometrischen Merkmalen wie Fingerabdrücken anzulegen.

Noch kein EU-Standard
Innerhalb der EU hat man sich immer noch nicht endgültig auf einen Standard für die Speicherung der Fingerabdruck-Daten geeinigt – die Staaten sind daher großteils auf sich alleine gestellt. In Österreich werden ab Sommer das Passfoto und die Unterschrift digitalisiert und auf dem so genannten RFID (Radio Frequency Identification)- Chip gespeichert. Zusätzlich werden alle Daten bis auf die „besonderen Merkmale“ ebenfalls im Chip verschlüsselt abgelegt. Die Chips selbst werden von Philips hergestellt. An möglichen biometrischen Merkmalen mangelt es nicht: neben dem Passfoto wären noch Varianten mit Iriserkennung, Fingerabdrücken, Stimmerkennung oder Handerkennung denkbar. Tatsächlich wird in Österreich überlegt, ab dem Jahr 2008 auch den Fingerabdruck als biometrisches Merkmal zu speichern.

Viele Pleiten
Soweit die Theorie – in der Praxis kommt es beim großflächigen Einsatz biometrischer Systeme zu vielen Pleiten und Pannen. Techniker kritisieren, dass die Biometrie-Systeme nicht fehlerfrei arbeiten – besonders beim eingesetzten System der Gesichtserkennung. Eine Studie des deutschen Bundesamts für Sicherheit und Informationstechnik hat eine hohe Fehlerrate von bis zu 23 Prozent bei Tests über die Leistungsfähigkeit biometrischer Daten in den neuen Reisepässen ergeben. Um den Maschinen später den Abgleich des gespeicherten Bildes mit dem realen Gesicht zu vereinfachen, darf auf dem Passbild künftig nicht mehr gelächelt werden. In den USA, wo nach den 9/11-Anschlägen fieberhaft biometrische Systeme zur Überwachung installiert wurden, wurden viele Projekte still und heimlich wieder zu den Akten gelegt, weil die hohe Fehlerquote die Arbeit der Beamten mehr behinderte als förderte. Im großen Stil umgesetzt, könnten schlecht funktionierende Biometrie-Systeme zu einem Chaos auf Flughäfen und Grenzkontrollen führen. „Wenn diese Systeme so in der Passkontrolle eingesetzt werden, stehen auf den Flughäfen täglich zehntausende Menschen vor rot blinkenden Bildschirmen“, so das deutsche Bundesamt. Kritik kommt auch von den Datenschützern, die „Big Brotherism“ des Staates und den vermehrten Einsatz von Rasterfahndungen fürchten. So bemängelt etwa Hans Zeger, Obmann der Arge Daten, dass die gespeicherten Angaben einer Schleppnetzfahndung Tür und Tor öffnen würden. Mit der neuen Datenbank bestünde eine einheitliche Schnittstelle, mit der Daten leicht verknüpft werden können. Zwar sendet der Chip in verschlüsselter Form, jede in- und ausländische Behörde verfüge aber über den Schlüssel, auch von totalitären Regimes gelenkte und solche in Ländern ohne ausreichenden Datenschutz. Das Innenministerium hält dem entgegen, dass der drahtlose Kontakt zum Reisepass- Chip erst nach Eingabe von Daten, die nur im Reisepass gedruckt sind, möglich ist. Unabhängig davon sind die nächsten Schritte in puncto Biometrie- Pass geplant. In Österreich will man ab 2008 oder 2009 Fingerabdrücke als weiteres biometrisches Merkmal in Pass und Chip speichern. Dies ist zumindest in den Erläuterungen des Gesetzes vorgesehen. Laut Innenministerium soll dies frühestens Ende 2008 im Gleichklang mit entsprechenden EU-Plänen erfolgen. Ob dies tatsächlich so umgesetzt wird, ist derzeit aber ebenso offen wie die Frage, ob die digitalen Fingerabdrücke in diesem Fall in die zentrale Daten-Evidenz, das so genannte „Passdatenspeicherregister“, aufgenommen werden. Derzeit werden in der zentralen Pass-Datenbank jedenfalls die am Reisepass vermerkten personenbezogenen Daten erfasst. Künftig soll darin auch das ab Sommer 2006 geplante elektronische Foto gespeichert werden.

Staat forciert Biometrie

Der Glauben an die Leistungsfähigkeit biometrischer Systeme ist jedenfalls vorhanden. Kürzlich wurden in der Justizanstalt Wien-Josefstadt eigene Gesichtserkennungs-Systeme installiert, die Ausbruchsversuche von Häftlingen verhindern sollen. Künftig müssen sich Besucher nicht nur registrieren, sondern auch fotografieren lassen. Das System der Wiener Firma X-Pin.com prüft Ankömmlinge und scheidende Besucher. Die Haftanstalt kann erst dann verlassen werden, wenn beim „Auschecken“ fest gestellt wird, dass das jeweilige Gesicht mit den gespeicherten.

Ausgewählter Artikel aus Printausgabe 02/2006

Hannes Stieger, Economy Ausgabe 02-01-2006, 14.02.2017