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28. März 2024

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Die Macht der schnellen Würfel

Die Macht der schnellen Würfelpiqs.de/Andres Rueda

Indianische Casinos sind in den USA ein Milliardengeschäft.

Das Geld öffnet den Stämmen den Weg in die Politik. Die staatliche Aufsichtsbehörde National Indian Gaming Commission (NIGC) präsentierte dieser Tage die Zahlen des Jahres 2005: 22,6 Mrd. US-Dollar (17,8 Mrd. Euro) brachten die 391 Spielstätten in 20 Bundesstaaten ein. Die 16 Prozent Wachstum überraschen kaum noch: Seit 1995 hat sich der Umsatz verfünffacht, Tendenz anhaltend. Entsprechend zufrieden verweist NIGC-Chairman Phil Hogen auf die zunehmende Eigenfi nanzierung der Reservate. Wofür früher der amerikanische Staat in die Tasche greifen musste, zahlen die Stämme nun selbst. Von der großen Lust am Gambling profi tieren inzwischen auch die Regionen rund um die Reservate, die je nach Bundesstaat und ausgehandeltem Vertrag Geld für Verbrechensverhütung, Umweltschutz oder Budgetlöcher kassieren.

Mitsprache auf Augenhöhe
Längst entbrannt ist damit auch die Debatte, wo Steuerbegünstigungen enden und die Verantwortung für das Gemeinwohl beginnen sollte. Schwarzenegger-Vorgänger Gouverneur Gray Davis etwa wandte sich 2003 mit der Forderung an die kalifornischen Stämme, 1,5 Mrd. US-Dollar (1,18 Mrd. Euro) zur Budgetsanierung beizutragen. Im Gegenzug ließ sich Davis nicht lumpen: Kalifornische Indianer haben ein Exklusivrecht auf Glücksspiel – inklusive der umstrittenen als „einarmige Banditen“ bezeichneten Glücksspielautomaten.
Tatsächlich schien Anfang der 1980er Jahre nach den erfolglosen Versuchen der Regierung, auf dem Land der Native Americans – wie sich US-Bürger indogener Abstammung selbst nennen – wirtschaftliche Impulse zu setzen, eine Wende in Sicht. Mit der Beliebtheit staatlicher Lotterien gewann auch das zunächst unregulierte Glücksspiel in den Reservaten an Bedeutung. Indianisches Bingo lockte mit höheren Gewinnen, und die Besucher kamen in Strömen.
Dem anschließenden Glücksspiel- Boom, dem Bau von Casinos und den versuchten Schließungen der Spielstätten seitens Kaliforniens und Floridas setzte der Kongress 1987 den Indian Gaming Regulatory Act (IGRA) entgegen: Die Casino-Betreiber wurden verpfl ichtet, ihre Gewinne zum Ausbau von Sozial-, Gesundheits- und Bildungswesen sowie Infrastruktur in den Reservaten zu verwenden. Gleichzeitig sollte sich die Entscheidung, ob Casinos auf indianischem Boden nun rechtens sind oder nicht, am Gesetz der jeweiligen Bundesstaaten orientieren. Wer ein Casino bauen wollte, musste seine Verträge mit dem umliegenden Bundesstaat ausverhandeln.

Regulierung als Bremsmanöver
Nach Ansicht vieler Betreiber ein Rückschritt: Kaum war neuer Entscheidungsspielraum gewonnen, wurde die First Nation wieder zurück an den Verhandlungstisch gezwungen. Der jüngste Regulierungsversuch heißt S.2078, eine von Senator John McCain, dem Vorsitzenden des Senatskomitees für indianische Angelegenheiten, eingebrachte Gesetzesnovelle, die der Aufsichtsbehörde NIGC größere Kontrollmacht zuweisen soll. Ernie Stevens, Chairman der Interessenvertretung National Indian Gaming Association, zeigt sich ernüchtert: „Gesetzesvorschläge wie S.2078 sind eine enttäuschende Erinnerung daran, dass manche Leute der Ansicht sind, wir hätten zu viel an Boden gewonnen.“ Aus Sicht der NIGC soll die Novelle sicherstellen, dass ein Mindestmaß an Kontrollen greift: „90 Prozent der Staaten haben keine ausreichenden Kontrollmechanismen“, erklärt NIGCSprecher Shawn Pensoneau. „Es gibt niemanden, der hinausgeht und überprüft, was mit den Einnahmen passiert.“
Eine gleichmäßige Verteilung des Kuchens steht aber auch innerhalb der Stämme aus: 60 der 391 Spielcasinos – die meisten befi nden sich in der Nähe von Ballungsräumen – verantworten 80 Prozent des Umsatzes. In San Diego etwa zahlen die Casinos jährlich 22 Mio. USDollar (17,4 Mio. Euro) an Gehältern. Dennoch ist die Hälfte der Reservatssiedler arbeitslos, ein Drittel lebt unter der Armutsgrenze. Auch liegt die Lebenserwartung der amerikanischen Ureinwohner bei 47 Jahren. Der Durchschnittsamerikaner lebt 31 Jahre länger.

Ausgewählter Artikel aus dem Jahr 2006

Alexandra Riegler, Economy Ausgabe 28-08-2006, 17.06.2015