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24. Juni 2024

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Die Natur in der Künstlichen Intelligenz

Die Natur in der Künstlichen Intelligenz© Pexels.com/googledeepmind

Forschungsarbeiten zeigen verblüffende Ähnlichkeiten zwischen KI-gestützten Bildmethoden und natürlichen Sehsystemen. In einem Projekt forscht TU Wien zum Thema lernende Objekterkennung von Maschinen.

(red/czaak) Können Maschinen so sehen wie wir - oder wie bringt man einer Maschine bei, Objekte auf Bildern zu erkennen? In den letzten Jahren sind bei diesen Themen enorme Fortschritte gelungen. Mittels neuronaler Netze lassen sich etwa Bilder von Tieren mit sehr hoher Trefferquote der jeweiligen Tierart zuordnen. Dafür nötig ist das Trainieren eines neuronalen Netzes mit Hilfe vieler Beispielbilder und dabei wird das Netz Schritt für Schritt so angepasst, dass es am Ende möglichst präzise die richtigen Antworten liefert.

Mehrere Schichten von Neuronen
Die gebildeten Strukturen oder Mechanismen, die sich dabei im neuronalen Netz entwickeln und final zum Ziel führen, bleibt dabei meist im Dunklen. Ein gemeinsames Team von TU Wien und MIT (USA) unter Leitung von Radu Grosu (TU) und Daniela Rus (MIT) ging nun diesen Fragen nach – und kam zu einem überraschenden Ergebnis: Im künstlichen neuronalen Netz bilden sich Strukturen, die eine verblüffende Ähnlichkeit mit den Strukturen der Nervensysteme von Tieren oder Menschen haben.

„Wir arbeiten mit sogenannten Convolutional Neural Networks – das sind künstliche neuronale Netze, die häufig zur Verarbeitung von Bilddaten verwendet werden“, sagt Zahra Babaiee vom mitarbeitenden Institut für Computer Engineering der TU Wien. Inspiriert wurde das Design dieser Netzwerke von den Nervenzellen-Netzwerken im menschlichen Auge und Gehirn. Hier werden visuelle Eindrücke durch mehrere Schichten von Neuronen verarbeitet. Der aktivierende Impuls erfolgt durch Lichtsignale im Auge und dann werden Signale an die Neuronen der dahinterliegenden Schicht weitergeleitet.

Verblüffende Ähnlichkeit mit biologischen neuronalen Netzen
Bei künstlichen neuronalen Netzen wird dieses Prinzip am Computer digital nachgeahmt: Der gewünschte Input – zum Beispiel ein digitales Bild – wird Pixel für Pixel der ersten Schicht künstlicher neuronaler Netze übergeben. Aus den daraus resultierenden Aktivitäts-Werten der Neuronen in der ersten Schicht ergibt sich die Aktivität der Neuronen aus der nächsten Schicht und jedes der Neuronen der nachfolgenden Schicht verknüpft die Signale der ersten Schicht nach einem bestimmten individuellen Muster bzw. einer Art Formel. Und aus diesem Wert ergibt sich dann die Aktivität des Neurons aus der nächsten Schicht.

„Während man das Netzwerk mit vielen tausend Bildern trainiert, werden diese Filter und andere Parameter laufend angepasst. Der Algorithmus probiert aus, welche Gewichtung der Neuronen aus der vorangegangenen Schicht zum besten Ergebnis führt – und das so lange, bis die Bilder mit möglichst hoher Zuverlässigkeit der richtigen Kategorie zugeordnet werden“, erklärt Zahra Babaiee. „Das macht der Algorithmus automatisch, wir haben keinen direkten Einfluss darauf.“

Evolution bringt gleiche Filter-Funktionen wie bei automatisierten Machine-Learning-Prozessen


Am Ende des Trainings wird analysiert, welche Filter sich auf diese Weise entwickelt haben, und dabei zeigen sich interessante Muster. Die Filter nehmen nicht etwa völlig zufällige Formen an, sondern sie fallen in mehrere Kategorien. Filter sehen dann kreuzförmig aus, oder sie zeigen zwei entgegengesetzte Bereiche – einen, dessen Neuronen das Neuron der nächsten Schicht stark positiv beeinflussen, und einen anderen, dessen Neuronen das Neutron der nächsten Schicht stark negativ beeinflussen.„Das Verblüffende ist, dass genau diese Muster bereits auch in biologischen Nervensystemen beobachtet wurden, etwa bei Affen oder Katzen“, sagt Zahra Babaiee.

Beim Menschen dürfte die Verarbeitung visueller Daten genauso funktionieren. Dass die Evolution dieselben Filter-Funktionen hervorgebracht hat, wie sie auch in einem automatisierten Machine-Learning-Prozess entstehen, ist wohl kein Zufall. „Wenn man weiß, dass sich genau diese Strukturen beim visuellen Lernen immer wieder bilden, dann kann man das im Trainingsprozess bereits berücksichtigen und Machine-Learning-Algorithmen entwickeln, die viel schneller zum gewünschten Ergebnis kommen als bisher“, hofft Zahra Babaiee.

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red/czaak, Economy Ausgabe Webartikel, 07.06.2024