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23. April 2025

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Digitale Innovation in der Industrie

Digitale Innovation in der Industrie© Pexels.com/pixabay

Deutsche Unternehmen setzen verstärkt auf IoT und digitale Zwillinge und Metaverse und gemeinsame Datenräume, so neue Studie des Digitalverbandes Bitkom. Investbereitschaft in Digitale Technologie steigt.

(red/czaak) Der deutsche Digitalverband Bitkom hat anlässlich der aktuellen Industriemesse in Hannover unter 552 Industrieunternehmen eine Umfrage zum Einsatz digitaler Lösungen durchführen lassen (siehe auch Bericht). Final wird ungeachtet der Rezession im Schnitt heuer genauso viel oder sogar mehr in Industrie 4.0 investiert als im Vorjahr. Auch für die nähere Zukunft sind trotz aller Widrigkeiten größere Investitionen in Sicht.

Im Vergleich zu 2024 will nur etwa ein Sechstel der Industrieunternehmen die Investitionen in Industrie 4.0 senken, während etwa ein Drittel plant, sie zu erhöhen. Ein knappes Viertel will dabei eher mehr investieren, 13 Prozent sogar deutlich mehr. 44 Prozent wollen ihr Investitionsvolumen für 2025 stabil auf dem gleichen Niveau belassen wie in 2024. „Digitalisierung gibt es nicht zum Nulltarif – bei einem Großteil der Industrieunternehmen ist dies angekommen“, erläutert Christina Raab, Vizepräsidentin beim Verband Bitkom.

Digitale Marktplätze und Datenräume zunehmend gefragt
Bei den Lösungen selbst setzen die deutschen Unternehmen auf eine Vielzahl unterschiedlicher Technologien. Als Spitzenreiter für die Zukunft zeichnen sich derzeit IoT-Plattformen ab. Solche Lösungen, die Produkte, Maschinen, Prozesse und Menschen vernetzen, werden bereits von 46 Prozent der Unternehmen eingesetzt, und 43 Prozent planen dies. Am weitesten verbreitet sind digitale Marktplätze, die Industrieunternehmen beispielsweise den Austausch von Waren und Dienstleistungen erleichtern. Sie sind bereits bei über der Hälfte (53 Prozent) der Unternehmen im Einsatz.

Auch digitale Zwillinge, also virtuelle Modelle von Prozessen, Produkten oder ganzen Fertigungsanlagen sind inzwischen bei 48 Prozent der deutschen Industrieunternehmen im Einsatz. Additive Manufacturing, auch bekannt als 3D-Druck, ist bei vier von zehn Betrieben in Anwendung, Virtual oder Augmented Reality werden bei einem Drittel genutzt. Edge Computing und Datenräume mit jeweils 28 Prozent sowie Lifecycle Management mit 27 Prozent sind derzeit noch am seltensten – allerdings hat die Verbreitung von Datenräumen in den letzten drei Jahren mit einer Erhöhung um acht Prozentpunkte bereits Fahrt aufgenommen.

Betriebsübergreifende Datenräume und Manufacturing-X läuft an
Auch das Interesse an Datenräumen wächst - sie dienen dem Austausch von Informationen zwischen verschiedenen Unternehmen. Die branchenübergreifende Initiative Manufacturing-X hat das Ziel, die Fertigungsindustrie und ihre Lieferketten durch einen solchen Datenraum in Europa zu vernetzen. Die Beteiligung an dieser Initiative läuft nun an: Jedes zwanzigste deutsche Unternehmen ist bereits dabei, acht Prozent planen dies. Etwa ein Drittel der Unternehmen kann sich eine Beteiligung zumindest vorstellen. Knapp die Hälfte hat sich noch nicht ausreichend mit Manufacturing-X beschäftigt, um eine Beteiligung in Betracht zu ziehen. Nur fünf Prozent haben sich aktuell dagegen entschieden.

Der digitale Austausch von Daten hat allerdings viele Vorteile und das sieht auch die deutsche Industrie. Fast 60 Prozent der Unternehmen sieht einen positiven Effekt auf die Resilienz der deutschen Industrie, ebenso ist fast die Hälfte der Meinung, dass der digitale Datenaustausch zur technologischen Souveränität der deutschen Industrie beiträgt. Und auch für die Wettbewerbsfähigkeit ist der digitale Austausch entscheidend, finden 48 Prozent. Vier von 10 Unternehmen sagen allerdings, eben dieser digitale Datenaustausch sei bis jetzt noch zu kompliziert für ihr Unternehmen.

Einordnungen und Sichtweisen im internationalen Vergleich
Was die Position Deutschlands im internationalen Vergleich der Industrie 4.0 angeht, so sind die Unternehmen gespalten. Knapp die Hälfte (49 Prozent) sieht Deutschland als Nachzügler, fast ein Viertel (23 Prozent) sagt sogar, Deutschland habe den Anschluss an die Industrie 4.0 verpasst. Umgekehrt sieht aber ebenfalls ein Viertel (26 Prozent) Deutschland vorne: Jedes Zehnte Unternehmen ordnet die Bundesrepublik international an der Spitze ein (9 Prozent), 17 Prozent bezeichnen sie als Vorreiter.

Am häufigsten wird China weltweit in der Pole Position verortet.  Ein Viertel der deutschen Industrieunternehmen (26 Prozent) hält das Land für den Spitzenreiter beim Thema Industrie 4.0. Auf Platz 2 landen die USA, die von 23 Prozent der Unternehmen als fortschrittlichste Nation gesehen werden. Deutschland erreicht den dritten Platz (12 Prozent). Japan belegt mit 9 Prozent den vierten Platz, dahinter folgt Südkorea (7 Prozent).

Rahmenbedingungen und Vorreiterrolle bei Etablierung von Standards
Wie wird man zum Vorreiter in der Industrie 4.0? Offenkundig haben es die Unternehmen selbst in der Hand: Die größte Bedeutung wird einem hohen Interesse seitens der Industrie zugemessen. 6 von 10 Unternehmen, die eine Nation als führend betrachten, betrachten dies als maßgeblich (57 Prozent). Dahinter folgen günstigere gesetzliche Rahmenbedingungen, die etwa die Hälfte als Erfolgsfaktor sieht (52 Prozent). Wichtig sind weiterhin eine Vorreiterrolle bei der Etablierung von Standards (29 Prozent), hohe Investitionen in Forschung und Entwicklung (27 Prozent) sowie eine starke Unterstützung durch die Politik (18 Prozent).
„Die Industrie sieht die Rahmenbedingungen in Ländern wie China und den USA als vorteilhafter. Deutschland investiert zwar stark in Forschung und Entwicklung, hat ansonsten aber Nachholbedarf. Wir können uns dabei an anderen Playern orientieren: Südkorea bietet nach Einschätzung der deutschen Industrie günstige rechtliche Bedingungen, die USA überzeugen bei Standards“, erläutert Christina Raab, Vizepräsidentin beim Verband Bitkom.

Handlungsbedarf bei Regulierung und den Unternehmen selbst
Im Rahmen der Studie wurde auch erhoben, wie Industrieunternehmen bei der Einführung von Industrie 4.0-Anwendungen besser unterstützt werden können. Zunächst müssen rechtliche Unsicherheiten beseitigt werden, damit der Datenaustausch mit anderen Unternehmen leichter erfolgen kann, sagen 86 Prozent der Industrieunternehmen. 40 Prozent sind der Meinung, dass die Etablierung von Standards für Industrie 4.0-Anwendungen hilfreich wäre. Mit Blick auf KI-Innovationen fordern darüber hinaus fast 90 Prozent, dass die Politik diese nicht durch eine Überregulierung ersticken dürfe.

Hilfreich wäre auch finanzielle Unterstützung: Drei Viertel der Unternehmen sehen steuerliche Anreize als zuträglich, zwei Drittel wünschen sich eine beschleunigte Bewilligung von Förderanträgen. Drei Viertel der Industrieunternehmen sehen einen besseren Breitbandausbau als nützlich an, so dass ein zuverlässiger Datenaustausch zwischen Maschinen gewährleistet wird. Relevant ist zudem das Thema Bildung: In Zeiten eines erheblichen Fachkräftemangels halten sechs von zehn Unternehmen Aus- und Weiterbildungsprogramme für Fachkräfte auf dem Gebiet der Industrie 4.0 für förderlich.

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red/czaak, Economy Ausgabe Webartikel, 08.04.2025