Unabhängiges Magazin für Wirtschaft und Bildung

27. Juli 2024

Search form

Search form

Steigende Unternehmensinsolvenzen und betroffene Mitarbeiter

Steigende Unternehmensinsolvenzen und betroffene Mitarbeiter© pexels/andrea piacquadio

Firmenpleiten sind gegenüber dem Vorjahr angewachsen und liegen knapp über Vorkrisenniveau 2019. Massiv gestiegen sind die betroffenen Mitarbeiter. Baubranche und Einzelhandel als Sorgenkinder, so aktuelle Analysen des KSV1870.

(red/czaak) Laut aktueller Hochrechnung des Kreditschutzverbandes KSV1870 sind in den ersten drei Quartalen 2023 in Österreich 3.906 Unternehmen (plus 10 Prozent gegenüber 2022) von einer Insolvenz betroffen. Den deutlichsten Zuwachs verzeichnet Kärnten (plus 39), den größten Rückgang vermeldet Tirol (minus 5 Prozent).

Die vorläufigen Passiva haben sich um knapp 25 Prozent auf 1,88 Mrd. Euro erhöht. Immer mehr unter Druck gerät die Bauwirtschaft, während sich der Einzelhandel bereits seit längerer Zeit in der Krise befindet. Mit Blickrichtung Jahresende werden in Österreich insgesamt bis zu 5.300 Firmenpleiten erwartet, so die Einschätzung der Experten vom KSV1870.

Österreichs Wirtschaft insgesamt recht krisenresistent
Österreichs Wirtschaft scheint trotz anhaltender wirtschaftlicher Herausforderungen insgesamt recht krisenresistent zu sein. Zwar ist die Zahl der Unternehmensinsolvenzen mit den 3.906 Fällen in den ersten drei Quartalen des Jahres 2023 um knapp zehn Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum gestiegen, dennoch liegt das aktuelle Ergebnis nur um 2,6 Prozent über jenem aus dem Vorkrisenjahr 2019. Parallel dazu sind die mangels Kostendeckung nicht eröffneten Insolvenzen um 6,4 Prozent auf 1.507 Pleiten gestiegen.

„Anhand der aktuellen Zahlen von einer Insolvenzwelle zu sprechen, wäre falsch. Bei dem Anstieg handelt es sich um die vom KSV1870 seit längerem prognostizierte Nivellierung, die uns wohl auch in nächster Zeit begleiten wird“, erklärt Karl-Heinz Götze, Leiter Insolvenzen beim KSV1870. „Die mitunter subjektive Wahrnehmung vermehrter Insolvenzen ist den zuletzt prominenten Handelsunternehmen geschuldet“, so Götze. Stark angestiegen um 80 Prozent auf 18.400 Personen ist die Zahl der betroffenen Mitarbeiter. Stärker angestiegen sind mit 44 Prozent auf 31.400 jene der betroffenen Gläubiger.

Insolvenztreiber Handel, Bauwirtschaft und Gastronomie
Neben den aktuellen Fallzahlen haben sich auch die vorläufigen Passiva im Vergleich zum Vorjahr um rund 25 Prozent auf 1,9 Mrd. Euro erhöht. Geschuldet ist diese Entwicklung vor allem den bis dato größten Insolvenzen des Jahres. Neben Leiner und Kika mit 132 Mio. Passiva sind das mit der KSR Group GmbH (80 Mio. Euro) und Zentrasport Österreich (69 Mio. Euro) zwei weitere Handelsunternehmen. Ein Blick in die Bundesländer zeigt, dass die Passiva in Tirol mit einem Plus von knapp 146 Prozent am deutlichsten gestiegen sind. Im Burgenland haben sich die Verbindlichkeiten hingegen um rund zwei Drittel reduziert.

Wie die aktuelle KSV1870 Hochrechnung noch zeigt, sind der Handel (737 Fälle und plus 12 Prozent gegenüber 2022), die Bauwirtschaft (650 Fälle, plus 13) und der Bereich Gastronomie/Beherbergung (507 Fälle, plus 19 Prozent) weiterhin die Insolvenztreiber des Landes. Zwar verzeichnet unter diesen drei Branchen aktuell die Gastronomie den größten Zuwachs, doch ist es vor allem die Bauwirtschaft, die sich immer mehr zum Sorgenkind der heimischen Wirtschaft entwickelt.

Auftragslage in gesamter Baubranche stark rückläufig
„Im Vergleich zu 2019 sprechen wir aktuell von rund zehn Prozent mehr Pleiten im Baugewerbe, Tendenz steigend. Die Auftragslage in der gesamten Baubranche ist stark rückläufig. Insgesamt ist die Auftragslage für 2023 schwach und auch 2024 wird aus heutiger Sicht nicht besser werden“, ergänzt Ricardo-José Vybiral, CEO der KSV1870 Holding AG. Gründe dafür sind rückläufige Baubewilligungen in Österreich, gegenüber 2019 um rund ein Drittel. Vor allem Projektentwickler im Wohnbau und dabei beauftragte Bauunternehmen leiden unter den verschärften Kreditbedingungen, steigenden Zinsen und erhöhten Baukosten.

Hintergrund ist die drastische gesunkene Nachfrage von Endverbrauchern aufgrund fehlender Finanzierungsmöglichkeiten. Bauvorhaben sind damit nicht mehr rentabel. Diese Entwicklungen spiegelt sich auch bei den Hypothekar- bzw. Immobilienfinanzierungen, die im ersten Halbjahr 2023 um 51 Prozent gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen sind. In Summe prognostizieren die KSV-Experten 5.300 Firmenpleiten für das heurige Jahr. „Trotz der Situation in Handel und Baugewerbe sehen wir aktuell weiterhin keine Insolvenzwelle auf Österreich zukommen“, so Karl-Heinz Götze, Leiter KSV1870 Insolvenz.

Links

red/czaak, Economy Ausgabe Webartikel, 26.09.2023